Als Dieter Crumbiegel die Malerei wieder in sein künstlerisches Programm
aufnahm, hatte er dafür mehr als nur praktische Gründe: Seine Arbeit als
Keramiker war so erfolgreich gewesen, dass er eine Professur auf diesem Gebiet
erhielt, und er wusste nur zu genau, dass er seinen eigenen Qualitätsansprüchen
in Arbeit und Lehre nicht gleichermaßen gerecht werden konnte. Er begann also
mit seiner künstlerischen Arbeit von neuem, nahm sich eine ganze Gattung der
bildenden Kunst vor und wickelte deren Geschichte in einem wahren
Schnelldurchlauf rückwärts ab. Das Bild der damals üblichen Tonbandgeräte ist
dabei mehr als nur Metapher: Erstens versteht Dieter Crumbiegel viel von
Musik,von barocker insbesondere, und zweitens hat er seine Kunst auch immer in
den Kontext von Medien gestellt, vor allem in die Parallelität künstlerischer
und medialer Wirklichkeiten. Last but not least ist das Programm der Malerei
Dieter Crumbiegels ein Produkt der Kasseler Schule, mit autonomen Begriffen von
Farbe und Form, ebenso chromatisch wie gestisch und doch im besten Sinn des
Wortes konstruiert.
Drei Phasen lassen sich in Dieter Crumbiegels malerischem Œuvre ausmachen. 1984
und 1985 zeigen sich die Oberflächen keramischer Objekte noch in informellen
Farbspuren und zeugen von der Kraft raumgreifender Gesten, wie sie im
keramischen Werkprozess funktional begründet und auf der Leinwand als Überschuss
des malerischen Akts angesehen werden. In den 1990er Jahren werden die
Grundformen des Gemalten kantiger, erhalten räumliche Schatten und werden doch
in der Oberfläche an- und aufgelöst. Schraffuren und kreisende Pinselstrukturen
lassen die angedeuteten Quader und Objekte metallisch erscheinen, nehmen diesen
Eindruck aber ebenso augenblicklich wieder zurück. Neue Maltechniken und
–untergründe kommen hinzu (und verschwinden wieder); gelegentlich wirkt der
Bildgrund eher unfertig oder wie eine vorlackierte Platte. In den Arbeiten seit
2003 kehrt Dieter Crumbiegel zum klassisch konstruktivistischen
Kompositionsprinzip der streifenförmigen Anlage zurück, konterkariert diesen
strengen Bildaufbau jedoch durch starke Farben und schwere Schraffuren sowie
Frottagen. In der Flächenbehandlung kehrt die Gelassenheit eines Alterswerks
ein: Souverän werden Binnenstrukturen angelegt, vorgeführt und an einem klar
definierten Punkt unterbrochen. Dennoch wirken die neuesten Bilder am
kraftvollsten und lassen sich am wenigstens programmatisch eingrenzen.
Damit ist Dieter Crumbiegel an die Wurzeln seines Schaffens zurückgekehrt: Er
konstruiert Bilder in klarem Aufbau, kann die Ausführung aber dem sicheren
Duktus seiner gestischen Erfahrung überantworten – die Bilder malen sich,
-einmal inkubiert und angefangen-, fast von selbst. Farben und Formen folgen
festen Programmen, die sich auch gut beschreiben lassen, das Ergebnis dieser
Programme ist in jedem Bild anders, so unerwartet wie unvorhersehbar. Die
Erfahrungen des Designers und Lehrers Dieter Crumbiegel mussten zunächst
parallel, dann kraftvoll retrospektiv abgebaut werden – jetzt ist er wieder dort
angekommen, wo er einst begann. Und: Da ist noch viel zu erwarten.
© Rolf Sachsse *
* Prof.Dr.Rolf Sachsse,Prof. für Designgeschichte u.Designtheorie Hochschule der
bildenden Künste Saar,Saarbrücken
Vita
1938 geboren in Essen/Ruhr
1957 Abitur am altsprachlichen Burggymnasium Essen
1957 – 61 Studium an der Staatl.Hochschule für Bildende Künste,Kassel,
Malerei bei Prof.Fritz Winter und Marie – Louise von Rogister ,
Keramik bei Walter Popp,
Kunsttheorie und – soziologie bei Prof.Stephan Hirzel und Prof.Hoeltje,Kunst =
Pädagogik bei Prof.Ernst Röttger
1959 Ferienstipendium der Max-Beckmann Gesellschaft
Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes
1961 Staatsexamen
1974 Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz Keramik
1975 1.Preis beim Wettbewerb „Deutsche Keramik `75“
1979 Mitglied der International Academie of Ceramic,Genf
Ernennung zum Professor durch das Land NRW
1979-2001 Professor im Fachbereich Design, Keramik-Design, Hochschule
Niederrhein in Krefeld
1981 Leiter eines Workshops beim Keramiksymposium Cork,Irland
1982 Supervisor an der Helwan-University, Giza-Kairo, Ägypten
1978 – 85 1.Preise und Ausführungen für Kunst und Bau an öffentlichen
Gebäuden
seit 1985 Mitglied der „Gruppe 83 – Deutsche Keramiker“
seit 1984 Wiederaufnahme der Malerei
seit 1993 Künstlerischer Berater der Privaten Kunstschule Heinsberg
Lebt und arbeitet in Heinsberg – Karken
Seit 1961 Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland
Arbeiten in öffentlichen Sammlungen des In- und Auslandes
Bitte beachten Sie auch folgende Ausstellung:
Prof. Dieter Crumbiegel: Malerei aus zwei Jahrzehnten" 02.12.05 - 05.01.2006
Die Ausstellung wird in Bielefeld (Bielefeld, Obernstrasse 28) bei der Galerie
Samuelis Baumgarte stattfinden. Zeitraum: 02.12.05 - 05.01.2006.
Weitere Informationen können Sie der Webpräsenz der Galerie entnehmen:
Samuelis Baumgarte Webpräsenz.