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Zur Ausstellung „1250°C“ von Gertrud Schaefer
Ton ist das älteste Material gefundener Artefakte, die auf circa zwanzigtausend Jahre
zurückzuverfolgen sind. Kleine Figuren in Tier-und Menschengestalt wurden in Nordafrika
ausgegraben. Gefäßkeramiken entstanden mit beginnendem Anbau und Aufbereitung von
Naturpflanzen im 7.-11. Jahrtausend.
Bevor Brennöfen zum Einsatz kamen, legte man das getrocknete Brenngut in die Glut des
offenen Feuers. Ob mit oder ohne Engobe und Glasur versehen, wird erst nach dem
Brand das endgültige Ergebnis sichtbar – und das ist bis heute so.
In der Bildenden Kunst hat das Material Ton immer eine bevorzugte Stellung eingenom-
men, da seine Eigenschaften sich hervorragend eignen, Formgebung und Kreativität zum
Ausdruck zu bringen. Zeitgenössische Künstler kommen immer häufiger wieder darauf
zurück, sei es in den gegenständlichen oder abstrakten Gestaltungen.
Der Titel der Ausstellung „1250°C“ von Gertrud Schaefer kennzeichnet den letzten
Vorgang der Entstehung der keramischen Objekte.
Ihre Plastiken führen uns in eine geheimnisvolle Welt der Organismen, die so als Abbild
von der Wirklichkeit existieren könnten. Der Betrachter assoziiert spontan die Formen
pflanzlicher und anderer unterschiedlich organischer Wesen, doch sind sie alle aus dem
Schöpfungswillen der Künstlerin hervorgegangen.
Da tauchen Bilder in unserer Erinnerung auf, die nach außen gestülpte Seeigel
erinnern, deren Tentakel in alle Richtungen drängen und vom Wasser umspült sich
rhythmisch zu bewegen scheinen.
Ein anderes, in sich geschlossenes Objekt erweckt mit seinen filigranen Schichtungen mit
minimaler Öffnung den Eindruck einer Behausung von Insekten und Käfern. Diese
geschlossene Form, einem Kokon gleich, basiert auf unterschiedlich gerichteten
Schichtungen, deren Oberflächenstruktur stellenweise eingerollt oder aufgesprungen ist.
Differenzierte Helligkeitsstufen, hervorgerufen durch den Lichteinfall in Spaltungen und
Rissen, modellieren die Oberfläche in vielfältigen Grautönen.
Charakteristisch für die Arbeiten der Künstlerin ist die weitgehende unbunte Farbigkeit der
Objekte, deren Spannung aus dem Licht und Schatten und den Variationen von
Hell und Dunkel komponiert sind. Das gilt für die, die gegenständlich gedeutet werden
können sowie auch für die völlig freien Arbeiten.
Häufig stellt man sich die Frage, ob das verwendete Material wirklich Ton ist, so fragil
kommen die Plastiken daher, dass man eher an Papier oder Karton denkt, kaum mag
man sie berühren, so verletzlich und zerbrechlich ist ihr Erscheinungsbild.
Die Sinnlichkeit und die ästhetische Qualität der Arbeiten heben sie weit über das
Kunsthandwerkliche hinaus. In ihrer Innovation und vielfältigen Möglichkeit der Inter-
prätation präsentieren sie sich als autarkes Kunstwerk.
Ingrid Trantenroth-Scholz
Kunstverein Region Heinsberg
Text: Ingrid Trantenroth-Scholz
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