Bildende Kunst > Bildhauerei

++ Der Skandal, der dann doch ausblieb - Ein Objekt von Christa Hammermeister ++

 

 
„Da kommt die Polizei!” „Das wird ein Skandal!”, ereiferten sich die Damen, als Christa Hammermeister ihr neues Werk kurz enthüllte, um sich die Meinung ihrer Künstlerkolleginnen einzuholen.
Gemeint war die Figurengruppe mit den zwei(!) Titeln „Der Scheinheilige” oder „Die Opfergabe”, die die Künstlerin eigens für Kunstlabor.de Live 2008 auf der Burg Erkelenz geschaffen hatte und trotz der Einwände ihrer Kolleginnen auf dem Burghof ausstellte.
Schon von weitem setzte sich das besagte Paar strahlend weiß vor dem Backsteinrot des altehrwürdigen Burgemäuer ab und zeigte sich mit einer fast unheimlichen Selbst-verständlichkeit dem Publikum. Als wenn es da hin gehörte und schon immer dort stand.
Aus der Entfernung relativ unverdächtig, weihevoll, gewandbehangen in segnender Pose, der Mönch, der kleine Junge mit herunter gelassener Hose, erkennbar nacktem Hinterteil und deutlich entblößtem Geschlecht.
Wie jeder jetzt vermuten dürfte, handelt es sich bei dieser Arbeit Hammermeisters um das Thema „Sexueller Mißbrauch von Kindern in der Kirche”, das die Figurengruppe in schamloser Eindeutigkeit darstellte.
Was ausblieb, waren die Reaktionen des Publikums, weder Positives noch Negatives wurde geäußert, obwohl es bestimmt nicht an Besuchern mangelte, die nach eigener Beobachtung das „Objekt des mangelnden Anstoßes” intensiv in Augenschein nahmen.
Sind die Besucher so sehr der „Schein-Heiligkeit” des Mönches erlegen, dass sie keinen Blick für das Opfer hatten, trotz plakativster Entblößung von Hintern und Geschlecht?
Ist man heute so abgestumpft, dass es nur einer würdevoller Haltung bedarf, um in aller Öffentlichkeit schlimmste Verbrechen zu begehen? Reicht die segnende Pose, um das Leiden des Opfers völlig zu überspielen, ja: das Opfer selbst fast aus der Wahrnehmung verschwinden lässt?
Die Hammermeister hat ihren Plastiken nicht umsonst zwei Titel gewidmet, einen für den Täter und einen für das Opfer.
Der „Schein-Heilige”, der mit seiner „Schein-Heiligkeit” alles überstrahlt und „Die Opfergabe” , die in aller Öffentlichkeit ihr Schattendasein fristet, eine Schicksals-gemeinschaft aus Gips, die es zwar nicht geschafft hat, den vorhergesagten Skandal auszulösen, (selbst ich als Veranstalter konnte mich einer gewissen Vorfreude nicht erwehren), aber einiges zeigt über unsere Gesellschaft, das Hin- und vor allen Dingen Wegschauen, über Täter und Opfer.

Text: Michael Kempe/Kunstlabor.de-Heft Nr. 5



Kontakt:

Christa Hammermeister
Brückstraße 35
41812 Erkelenz
Tel.: 02431-981238
Email: 
Webseite: 

Zurück zur Übersicht


Design: Decoro-Design