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++ Gratwanderung zwischen persönlicher Mitteilung und universaler Formulierung - Gisela Stotzka - Keramik und Malerei ++

 

 
Der Werdegang von Gisela Stotzka ist ein durchaus typischer für Frauen, die sich beruflich zur Bildenden Kunst hingezogen fühlen. Nach einigen Studiensemestern, in denen die Schwerpunkte des Interesses aufgespürt werden konnten, musste das professionelle Tun zu Gunsten eines anderen Bereiches von noch höherer Wertigkeit weitgehend eingestellt werden. Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass dann in genau dem Maße, in der durch die Entwicklung der Familie wieder zeitliche Freiräume entstanden, diese konsequent dazu genutzt wurden, den einmal gesponnenen Faden wieder zu ergreifen und- um im Bilde zu bleiben- zu einem Gewirke von Tau-ähnlicher Stabilität anschwellen zu lassen. So geschehen aber bei Gisela Stotzka in den letzten Jahren, in denen das Meiste dessen entstanden ist, was wir uns heute in der Teloy- Mühle betrachten können.
Im Bereich der Keramik wird hier die klassische Spanne des Mediums zwischen angewandten Arbeiten, der so genannten Gefäßkeramik, und den zu Bildhauerei hin tendierenden, den Flachreliefs und den vollplastischen Arbeiten, durchschritten. Als geschulte Keramikerin liegt es auf der Hand, dass die Künstlerin in allen ihren Arbeiten volumenhafte Körper bildet. Da spielt es keine Rolle, ob sie sich in dem einen ihr wesentlichen Medium, der Keramik, äußert oder ob sie es im anderen, der Zeichnung, tut, die gelegentlich in der Kombination mit dem Aquarell auftritt. Bei der Keramik ist augenfällig, dass ein Werk selten nur aus einer einzigen wie auch immer gearteten Form besteht. Meist sind die Körper angereichert mit zusätzlichen und andersartigen Formen. Oft sind sie auch an mehreren Stellen unkonventionell geöffnet oder gefaltet und erfahren somit eine räumliche Erweiterung, die mit Bedeutung unterlegt sein kann und sich somit vom reinen Dekor absetzt. Überhaupt- und diese Feststellung gehört an den Anfang  einer jeglichen Betrachtung- es handelt sich um Arbeiten einer Künstlerin, die mit Konzept und Überlegung an die gestalterische Arbeit geht, da ist wenig Zufall dabei, kein "einfach mal so drauflos-Handeln".
Welche Thematik im Mittelpunkt steht, lässt sich zweifelsfrei an dem auffällisten Spezifikum ablesen. Immer wieder tauchen- auch hier in beiden Disziplinen gleichermaßen- stilisierte Figuren auf. Mal sind es pars pro toto große Masken, aber auch ganzfigurige Wesen können es sein, idolhaft klein oder schlank aufragend zu auch auf Distanz wahrnehmbarer Größe. Wesentlich ist, dass die Gesichter frei von individuellen Zügen sind, eher schemenhaft als typisierend. In den überzogen gestreckten und überweich gebeugten Haltungen wirken sie verletzlich und behütenswert. Diese schlichten Körper sprechen durch geringfügige Abweichungen von einem quasi standardisiertem Prototypen: Ein wenig die Arme gehoben oder den Rumpf geneigt, schon teilen sie etwas mit über ihre Befindlichkeit und werden gleichzeitig zu symbolhaften Formulierungen allgemeiner menschlicher Zustände. Noch einfacher ist solches in Betrachtung der Zeichnungen zu belegen. Zeichnung an sich hat ja schon einen höheren Abstraktionswert als die Plastik, weil in ihr Raumhaftigkeit- sei sie auch realistisch formuliert- doch zugleich als Illusion auf einer zweidimensionalen Fläche erkannt wird. So ist Zeichnung immer schon ein Medium besonders für die Erforschung und Darstellung innerer Welten gewesen. Mit Blick auf die hier zu sehenden Werke bestätigt sich das in eindrücklicher Weise. Die Räume, in denen sich die Ereignisse abspielen, sind Seelenräume, die sparsam mit Dingen aus dem  Fundus der gegenständlichen Welt gefüllt sind, mit Bäumen und Häusern und menschlichen Figuren. Diese - und das ist höchst interessant- erscheinen beinahe immer als leere Umrisse, als Negativformen, die wie zu füllende Hüllen den Betrachter dazu bewegen , sich selbst in das Vakuum hinein zu denken. Damit geht die Zeichnung noch einen Schritt weiter als die Keramik und gewinnt eine Ebene hinzu, in der eine geheimnisvolle Stimmung herrscht. Es sind merkwürdige Landschaften, in denen sich die entpersönlichten Wesen tummeln. Wege führen gelegentlich durch sie hindurch und enden irgendwo, oder kubisches Gemäuer gliedert die Fläche wie Kulissen einer Bühne von unbestimmter Tiefe. Es ist eine Welt ohne Schatten, damit aber auch ohne konkretes Licht. Die Leichtigkeit der Zeichnungen rührt von ihrem Baustoff her, einem kurzen punkthaften Strich mit dem Rapidographen, der -behutsam gesetzt- alle Details einer gleichen und gleichmäßigen Sprache einordnet. Kein handschriftliches Moment drängt sich hier in den Vordergrund und zwingt eine bestimmte Sicht der Welt auf. Was dem aufmerksamen Betrachter aber nicht entgehen kann ist die Intensität der Selbstreflektion der Künstlerin, die auch schon in den Titeln ablesbar wird. Wenn diese"Kälte", "Irritation", "Krise", "Trennung", "Hoffnung", "Durchbruch" und "Lebensweg" lauten, dann begegnen uns Stationen aus dem lebensimmanenten Zyklus seelischer Verletzung und Heilung. Eine wirklich heitere Welt ist das nicht, aber auch keine ausweglose. Diese künstlerisch zu bewältigen ist nicht leicht. Es ist die Gratwanderung zwischen persönlicher Mitteilung und universaler Formulierung. Der besondere Kunstgriff, um hier nicht in Kitsch und Klischee abzurutschen, ist genau derjenige, den Gisela Stotzka gefunden hat. Die ursprünglichen Ausdrucksträger, die Menschen, werden entindividualisiert, und die Seele, die ihnen genommen wird, in die sensible Gestaltung, in den tastenden Vortrag und die Feinheit der Kolorite überführt.
Den Arbeiten Gisela Stotzkas liegen einfache, wesentliche und wichtige Fragen zu Grunde. Wo war ich, wo stehe ich heute, wohin wird das Leben gehen und in Begleitung von welchen Menschen. Was muss zurückgelassen werden, was bewahrt und was entwickelt. So, wie sie diese Fragen an sich selbst stellt, kann man sich auch als Betrachter darauf einlassen: angeregt, aber nicht genötigt. Besseres- so meine ich- kann man mit Kunst nicht bewirken.

Text: Eröffnungsrede von Kai Hackemann



Kontakt:

Gisela Stotzka
Tüschenbroicher Straße 31
41844 Wegberg
Tel.: 02434-7619
Email: gisela.stotzka@t-online.de
Webseite: www.stotzka-atelier.de

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